Projektidee

Ganztagsbetreuung und -bildung im Fokus

Wo und von wem Kinder (vor oder nach dem Unterricht oder während der Ferien) betreut, gebildet und auch erzogen werden, ist heute nicht mehr klar zu beantworten. Es gibt unterschiedliche Modelle und Angebote wie beispielsweise die Ganztagsschule oder auch den Hort neben der Betreuung durch die Familie. Die Diskussion darüber, wie Kinder – unabhängig der kulturellen und sozialen Herkunft – bestmöglich gefördert werden können und wie der Übergang zwischen Kita und Schule gestaltet werden kann, hält an. Mit dem Grundwort Schule verbindet sich dabei die Vorstellung vom institutionalisierten Lernen im Kontext allgemeiner Bildung. Bedeutet dies, dass im Hort kein institutionalisiertes Lernen erfolgt? Ist der Hort der Raum der Erziehung und die Ganztagsschule jener für das Lernen?

Gemeinsam sind die unzähligen Herausforderungen in der täglichen Arbeit in der Ganztagsbetreuung. Nach PISA 2000 wurde die Leistungsfähigkeit des bisherigen deutschen Schulsystems in Frage gestellt und der Ausbau von Ganztagsschulen vorangetrieben. Die ganztägige Betreuung der Kinder  wird v.a. durch den politischen Willen, die Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu ermöglichen, gefördert. Aspekte wie Migration, Inklusion und die Diskussion um den bestmöglichen Übergang von der Kita in die Schule spielen  ebenso eine Rolle. Nicht nur innerhalb von Deutschland, sondern auch innerhalb von Europa lassen sich unterschiedliche Modelle ausmachen. Während in Deutschland die Diskussion anhält, ob die Schule oder der Hort der geeignete Ort der Betreuung ist, finden sich in europäischen Bildungssystemen weitere Modelle. Es stellt sich die Frage, wie in diesen Modellen die Heterogenität der Erwartungen an die Betreuung  gelöst wird: Es lassen sich pädagogische, bildungs- und sozialpolitische, kulturwissenschaftliche, sozialpädagogische, ökonomische und betriebswirtschaftliche Motive ausmachen, die zum Teil gegenläufig wirken. Wie können unter diesen Bedingungen gute Konzepte der Betreuung entwickelt werden? Welche Gelingensfaktoren guter Betreuung können ausgemacht werden? Auch wenn die Ganztagsbetreuung zum Normalfall im Kinderalltag zu werden scheint, „steckt die Erforschung dieser Sozialinstanz zumindest in Deutschland noch in den „Kinderschuhen““ (Doerfel-Baasen/Baitinger: GANZes Kind den ganzen Tag, 2015, S. 11). 

Insgesamt ist die Betreuung von Schulkindern ein expandierendes Gebiet, indem multiprofessionelle Kompetenzen aus den Berufsfeldern Schule und Erziehung notwendig sind. Während Erzieherinnen in Kindertagesstätten in Deutschland (häufig) den Fokus im vorschulischen Bereich und damit in der Betreuung  von unter 6-Jährigen legen,  wird der Fokus in der Ausbildung einer Lehrkraft auf den Bereich Unterricht gelegt. Ebenso vielfältig wie die Kompetenzen der Betreuenden sind die Aufgabenfelder: Sozialpädagogische Herausforderungen, Rollen- und Selbstverständnis, Freizeitbetreuung, Kooperation mit Eltern, …

Der unterschiedliche Blick der beteiligten Professionen auf das Kind macht die Komplexität und zum Teil auch Diversität im Feld der Ganztagsbetreuung deutlich. Auch wenn das Kind im Zentrum der Betrachtung stehen sollte, erfolgt dies in der Schule aus der Schulpädagogik heraus und in der Kita aus der Kindheitsforschung. Auffällig erscheint, dass ein Austausch zwischen diesen Gruppen immer noch zu wenig erfolgt. Dabei könnten Synergieeffekte genutzt werden, in dem in der Ganztagsbetreuung weniger institutionell sondern viel mehr von den spezifischen Bedürfnissen eines Kindergarten- und Grundschulkindes gedacht wird. Unsere Ausgangsfragen im Projekt sind deshalb:

Was braucht das Kind, wenn es am Nachmittag/in den Ferien nicht in der Familie betreut wird?

Was ist gut für das Kind?

Wie erreichen wir das Kind?

Welchen Ort braucht das Kind?

Unsere Ausgangsfrage ist und bleibt: Was ist GUT für das Kind?

Auch wenn der Ruf nach guten Konzepten in der Ganztagsbetreuung immer lauter wird, zeigt sich auf den Ebenen der Organisationsentwicklung, der Planung von Betreuungsangeboten und der Umsetzung dieser durch adäquate Methoden und Strukturen für die Altersgruppe ein heterogenes Bild. Für alle drei Ebenen existieren in Europa interessante Ansätze und Formate, die auch im Rahmen von politischen und finanziellen Gelingensfaktoren oder  Baustellen betrachtet werden sollen. Von zentraler Bedeutung ist die europäische Vernetzung und Kooperation im Feld der Ganztagsbetreuung vor dem Hintergrund der multiprofessionellen Zusammenarbeit. Vorrangiges Ziel ist dabei, die pädagogische Qualität in der Betreuung von Kindern zu erhöhen, damit Unterschiede in der sozialen oder kulturellen Herkunft sich nicht negativ auf die Bildungschancen von Kindern auswirken.

Ziel des Projektes ist, sich über die unterschiedlichen Modelle und Konzepte von Ganztagsbetreuung bei den Projektpartnern vor Ort zu informieren, um Gelingensfaktoren oder auch Herausforderungen in der Ganztagsbetreuung zu ermitteln. Ausgehend von einem gemeinsamen Verständnis von guten Konzepten im Sinne von Leitideen in der Ganztagsbetreuung soll ein Leitfaden aus der Praxis für die Praxis entwickelt werden. Dieser Leitfaden wird bewusst nicht nur auf der organisatorischen Ebene entwickelt, sondern Ideen aus der Praxis für die Praxis generieren. Dieser Leitfaden soll Einblicke in unterschiedliche Konzepte gewähren und konkrete Methoden und Strukturen kommunizieren. Aufbauend auf diesem Leitfaden werden Ideen zur Weiterbildung vor Ort entwickelt, um die neu gewonnenen Erkenntnisse zu multiplizieren. Auch Methoden aus der Erwachsenenbildung werden vermittelt, um die Inhalte vor Ort adäquat zu multiplizieren und die Projektteilnehmenden Sicherheit für Lehr-Lernsettings zu geben.

Um dieses zu erreichen wollen wir:

  1. Uns über Modelle der Ganztagsbetreuung informieren, indem wir uns Strukturen der Ganztagsbetreuung in den Einrichtungen der Projektpartner ansehen, hospitieren und im Austausch darüber Faktoren und Stolpersteine in der Ganztagsbetreuung ermitteln.
  2. Gemeinsam einen Leitfaden entwickeln, der Ideen, Methoden und Strukturen von Gelingensfaktoren guter Ganztagsbetreuung enthält.
  3. Uns austauschen über Möglichkeiten der Weiterbildung in den Systemen vor Ort, um die neue gewonnenen Erkenntnisse zu multiplizieren.